Wie weit geht sie?
Lucy treibt ein gefährliches Spiel. Immer wieder streift sie in der Nacht herum und sucht eine Mitfahrgelegenheit. Ist der Fahrer ein normaler, hilfsbereiter Mann oder das Monster, welches ihre Schwester Nicki entführt hat? Es ist mehr als ein Jahr her, dass Nicki nach einem Besuch mit Freundinnen in einem Pub spurlos verschwunden ist. Die Polizei geht von einem Serientäter aus, denn zwei weitere Frauen sind verschleppt worden, am Ort findet sich jeweils nur das Smartphone. Mögliche Täterspuren zerschlagen sich.
Als eines der Opfer wieder auftaucht, schwellt Hoffnung auf. Allerdings wird die junge Frau angefahren und kommt schwerverletzt ins Krankenhaus. Aber eins ist klar: In dem Haus, wo sie gefangengehalten wurde, gibt es noch mehr Frauen.
Detective Denise Pope und die aufstrebende Zivilangestellte der Polizei Angela nehmen die Fährte auf. Als es neue Erkenntnisse gibt, mischt sich der zwielichtige Journalist Jack Keane ein und die Ereignisse überschlagen sich.
"The Trap" wird aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt, auch der Täter kommt zu Wort. Dieses Hin und Her und die Rückblenden sorgen für Tempo. Gegen Ende kommt es zu einer völlig überraschenden Wende, was mir persönlich gut gefallen hat. Wer klare Auflösungen mag, wird an diesem Buch nicht unbedingt gefallen finden. Es gibt Fragen, die offen bleiben, was aber durchaus gut zu diesem thrillerartigen Krimi passt.
Catherine Ryan Howard: The Trap Lübbe Verlag
Ich weiss, was dein Vater getan hat
Olivia Dumont ist Ghostwriterin, lange Zeit erfolgreich, allerdings bringt sie eine Verleumdungsklage in finanzielle Schwierigkeiten. Die Rettung könnte die Anfrage des berühmten Schriftsteller Vincent Taylor sein, für den sie ein Buch schreiben soll. Allerdings hat die Sache einen Haken: Der berühmte Autor ist ihr Vater, dem sie seit vielen Jahren aus dem Weg geht. Es soll auch kein Roman werden. Nach fünfzig Jahren will Vincent darüber sprechen, was damals im Sommer 1975 geschehen ist, in dem seine Geschwister brutal ermordet wurden. Viel Zeit bleibt nicht, der Vater leidet an Lewy-Körper-Demenz und verliert nach und nach sein Gedächtnis.
Olivia lässt sich darauf ein. Sie will das dunkle Geheimnis ihrer Familie aufklären, das sie seit vielen Jahren beschäftigt. Hat ihr Vater seine Geschwister umgebracht? Was ist damals passiert? Die Spuren führen sie tief in die Vergangenheit ihrer Familie. Ist die Wahrheit schmerzhafter als die Lüge, mit der sie bisher gelebt hat?
Autorin Julie Clark dürfte vielen bekannt sein von ihrem Thriller "Der Tausch", mit dem sie die Bestsellerlisten gestürmt hat. Ihr neues Buch "Die unsichtbare Hand" ist ein Familiendrama und Krimi. Wie wirkt sich ein Drama auf die nachfolgende Generation aus? Wie zuverlässig sind unsere Erinnerungen? Auf zwei Zeitebenen tauchen wir ein in ein Konstrukt aus Lügen und Geheimnisse, lesen aus verschiedenen Perspektiven und lösen nach und nach das Rätsel um die toten Geschwister. Ein Krimi mit Tiefgang, klug, packend und intensiv.
Julie Clark: Die unsichtbare Hand Heyne Verlag
Ein sensibel erzählter Familienroman, der sich zum Pageturner entwickelt
Fast jeden Morgen wandert Vater Adam mit seinem 14jährigen Sohn Eugene durch den River Fall Park. An einem Dienstagmorgen kehrt Eugene alleine zurück, von seinem Vater fehlt jede Spur. Was passiert ist, bleibt unklar, denn erzählen kann der Junge nichts. Aufgrund einer Autismus-Spektrum-Störung und dem Angelman-Syndrom ist er stumm. Seine älteren Geschwister Mia und John, Zwillinge, und die Mutter machen sich auf die Suche, die erfolglos bleibt. Die Polizei beginnt zu ermitteln und sie finden auch Zeugen, die die Beiden gesehen haben. Vor allem Eugene ist aufgefallen, da er beim quer über die die Strasse rennen einen Autounfall verursacht hat. Auf seinem T-Shirt gibt es Blutflecken und unter den Fingernägeln ebenfalls. Vorsichtshalber wäscht Mia seine Kleidung und stellt den Jungen unter die Dusche. Beweismittel wird zerstört.
Mia beginnt nachzuforschen, weil sie ihren Bruder schützen will. Doch je tiefer sie gräbt, desto mehr gerät ihre Welt ins Wanken...
"Happiness Falls" ist ein unglaublich intensives Buch, das von Anfang an zu fesseln vermag - eben ein richtiger Pageturner. Erzählt wird die Geschichte von Mia, was uns einen tiefen Einblick in ihre Gedankenwelt gewährt. Immer Neues wird entdeckt, Verhalten, das auf den ersten Blick klar erscheint, erweist sich als ganz anders.
Bereits das erste Buch von Angie Kim, "Miracle Creek", hat mir sehr gefallen, mit dem zweiten Werk hat sie noch eine Schippe draufgelegt. Was für ein tolles, umwerfendes Buch! Ich bin hellbegeistert!
Angie Kim: Happiness Falls Verlag Hanserblau
Zwischen zwei Leben
1955: Beth, 17 Jahre alt, verliebt sich in den schönen und klugen Gabriel, der aus reichem Hause kommt. Berauscht vom Verliebtsein erleben sie einen wunderschönen Sommer, doch dann zerbricht das junge Glück. Gabriel geht zum Studieren nach Oxford. Beth bleibt zurück, tritt ihr Studium in Oxford nicht an. Frank, der seit Jahren in sie verliebt ist und sie immer von Weitem angehimmelt hat, fängt sie auf. Bei ihm fühlt sie sich geborgen, die beiden heiraten früh und bestellen zusammen Franks Farm. Mit der Geburt von Bobby scheint ihr Glück komplett. Neun Jahre später kommt es zu einem schweren Unfall, Bobby verliert sein Leben.
1968: Der gefeierte Schriftsteller Gabriel kehrt mit seinem Sohn Leo in das Dorf zurück. Beth Gefühle geraten ins Wanken, das Chaos bricht über sie herein und sie trifft eine Entscheidung, die weitreichende Folgen haben wird. Ein Mensch wird sterben, ein anderer wird dafür büssen. Doch wer ist Schuld? Dies bleibt bis zum Schluss das grosse Geheimnis dieses spannenden Romans.
Erzählt wird "Wie Risse in der Erde" auf zwei Zeitebenen und aus der Perspektive von Beth. Einerseits erleben wir das Jahr 1955, dann wechselt die Geschichte ins Jahr 1968, nach und nach führt die Autorin Clare Leslie Hall die beiden Erzählstränge zusammen und schafft es bis zum Schluss, die Spannung aufrecht zu erhalten. Mitreissend, schön, traurig, leidenschaftlich, zärtlich und liebevoll - lesenswert!
Clare Leslie Hall: Wie Risse in der Erde Piper Verlag
Eine beissende Satire auf die Welt der Superreichen
Die jüdische Familie Fletcher ist reich und sie stechen sogar in der reichen Gegend von Long Island unter den wohlhabenden Familien heraus. Diesen Reichtum verdanken sie Gründervater Zelig Fletcher, der in den 40er Jahren nach Amerika geflüchtet ist, mit nichts im Gepäck ausser einer Formel zur Herstellung von Styropor. Mit seiner Intelligenz, Glück und Taktik macht er ein Vermögen. Sohn Carl tritt in seine Fussstapfen, heiratet Ruth und bekommt mit ihr drei Kinder.
1980, Ruth ist zum dritten Mal schwanger, wird Carl vor seinem Haus gekidnappt. Nach Zahlung eines üppigen Lösegelds wird er kurz darauf wieder freigelassen, ohne einen Schaden erlitten zu haben. Aber stimmt das wirklich? Nicht ganz, seine Psyche ist angeschlagen und auch seine Frau und die drei Kinder werden durch diese Erfahrung ihr Leben lang beeindrächtigt.
40 Jahre später kommt die Familie zu einer Feier zusammen und da wird klar, dass die lang zurückliegende Entführung unerwartete Spuren hinterlassen hat - bei der ganzen Familie. Diese Auswirkungen sind manchmal verstörend und immer wieder auch amüsant.
"Die Fletchers von Long Island" ist eine grosse jüdisch-amerikanische Familiengeschichte, die mehrere Jahrzehnte umspannt und äusserst kurzweilig ist. Sprachlich virtuos, manchmal etwas unverschämt und sehr, sehr witzig - eine Satire auf die Welt der Superreichen.
Taffy Brodesser Akner: Die Fletchers von Long Island Eichborn Verlag